Rukz

Mittwoch, 18. April 2007
Ein Mensch der sich aufgibt
Ich ging gestern über den Bahnhofvorplatz. In guter Stimmung, denn es schien die Sonne, die Menschen waren alle schön und fingen an weniger zu tragen. Darüber hinaus hatte ich grade eine große Lasagne gekauft, von der ich wusste, dass sie köstlich ist, aber es mir danach vollkommen schlecht geht, weil sie eigentlich viel zu groß ist um sie allein zu essen. Hinzu kamen noch drei Binding Pilsener, denn die Eintracht sollte ja spielen und da brauch man ja Bier (Zwei der drei Flaschen weilen jetzt immer noch im Kühlschrank, erstens ging es mir nach der Lasagne viel zu schlecht um mehr als eins zu trinken und zweites hatte die Eintracht es gestern nicht verdient, dass man mehr als ein Bier trinkt).
Ich ging also mit heiteren Gemüt gen Bus und da sah ich diesen Menschen. Er lag auf einer Bank an einer der vielen Bushaltestellen am Bahnhof. Seine Kleidung war alt, kaputt und wenn ich sie mir näher betrachtet hätte (was ich nicht tat) hätte ich sicherlich einige Flecken gefunden. Er selbst war alt, sicherlich über fünfzig, oder das Leben hat ihn so gezeichnet, dass älter aussieht als er ist.
Erst dachte ich, dass er schliefe und eine Flasche umgekippt hätte, denn es gab ein kleines Rinnsal am Busstieg vor der Bank, doch diese Annahme war falsch. Wie ich nach abermaligen Hinsehen feststellen musste war er wach. Er hatte die Hose geöffnet und seine faltige Hand hielt seinen Penis. Er pinkelte. Ich war fassungslos von diesem Anblick. Ich hatte noch nie jemanden auf einer Bank liegen sehen und gleichzeitig vor sich hin pinkelnd und erst recht nicht an einem späten sonnigen Nachmittag an einem Platz der nur so vor Menschen platzt hätte ich einen solchen Anblick erwartet.
Es ist ja nicht so das es keinen öffentlichen Toiletten geben würde keine 30 Meter hinter ihm war eine. Die sind zwar meist dreckig und der stechende Geruch nach Urin lässt einen wünschen so schnell wie möglich wieder draußen zu sein, aber man hat als Mann ja glücklicherweise den Vorteil, beim pinkeln nicht unbedingt das Interieur berühren zu müssen. Dieser Mann fand es also einfach nicht notwendig auf eine solche Toilette zu gehen und pinkelte lieber von der Bank runter. Wie kann man sich zu Aufgeben, den letzten Stolz und Anstand verlieren und so etwas tun, waren die Fragen die mir in dem Moment durch den Kopf gehen. Was ist nur mit dem Mann passiert, dass er in eine Solche missliche Lage geriet, frage ich mich jetzt auch noch zusätzlich.
Am liebsten hätte ich ein Foto geschossen, doch ich wollte den Mann nicht noch mehr demütigen als er es ohnehin selbst tat.
Die Passanten waren auch interessant zu beobachten. Einigen ging es wie mir, sie waren verdutzt und recht schnell angewidert, aber andere riskierten nur einen kurzen Blick und machten einen großen Schritt über das Rinnsal das sich langsam seinen Weg zur Stufe und somit zum Gully bahnte. Sie tat also anscheinend so als sei nichts, setzten ihre Scheuklappen auf. Natürlich hätte ich auch zu ihm hin gehen können, ihn fragen was los ist, ihn zu Ordnung rufen können und ihm helfen können. Warum ich es nicht tat? Ich weiß es nicht. Hättet ihr es getan?

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